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Andy Coolquitt

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Andy Coolquitt
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    geboren 1964 in Mesquite
    GeburtsortMesquite, Texas, Vereinigte Staaten von Amerika, Amerika
    WirkungsortAustin, Texas, Vereinigte Staaten von Amerika, Amerika

    Andy Coolquitt sammelt Dinge von der Straße. Dinge, die andere wegwerfen oder zurücklassen: marginale Objekte aus öffentlichem Raum und Unorten. Der Künstler teilt das Zusammengetragene in Somebody-Mades und In-Betweens auf. Somebody-Mades sind anonyme, selbstgemachte Dinge, die mehr oder weniger nachvollziehbare Funktionen erfüllen. In-Betweens sind weder etwas noch nichts und werden meist als Rohmaterial für die Produktion von Legitimen Skulpturen benutzt. Aber der Status der Objekte ist nicht wirklich wichtig für die Rezeption. Es geht vielmehr darum, dass der Künstler an einem gewissen Punkt eine Entscheidung über ihre Entität fällen muss (und manchmal an einem gewissen Punkt wieder ändert). Was wichtiger ist, hat mit der Individualität dieser Dinge und der Sozialwelt, in der sie leben, zu tun. Diese autonomen Objekte sind nicht nur in ihrem Wesen fragil und brüchig, sondern hinterfragen auch Autorschaft und ihren eigenen Status. Das führt zu einer prekären Situation mit ihrem Nachleben als Exponate, obwohl die Objekte in ihrem Vorleben schon so etwas wie eine Öffentlichkeit hatten.

    Diese Dinge sind in ihrer Komplexität als Objekte also schwierig. Um die Dinge noch komplizierter zu machen, bedient sich Coolquitt für die Präsentation seiner Sammlungen in Museen und Galerien bei Designkonzepten aus dem Einzelhandel und ergänzt seine Ausstellungen so um eine sozioökonomische Fragestellung. Nach den ästhetischen Strukturen dieser starken Metapher gefragt, nennt er drei Grundformen: Comme des Garçons (ein Minimal-Theater), Urban Outfitters (1950er-Künstlerloft-Stil) und die Heilsarmee (ein All-Over). Sie stehen für drei Stufen von Offenheit und Dichte. Wie im echten Leben beeinträchtigen sich diese Gegensätze auch in Coolquitts Ausstellungen. Sie können als Beeinträchtigung des autonomen und individuellen Objekts im ästhetischen Feld gelesen werden, aber auch als Beeinträchtigung des individuellen Subjekts in ländlicher und urbaner Gesellschaft.

    Für die Ausstellung bei Locust Projects in Miami (2001) hat Andy Coolquitt eine Bühnenarchitektur aus vier durchsichtigen Plexiglaswänden gebaut. Der plusförmige Grundriss des transparenten Displays für seine Dinge war gleichzeitig autonomes Objekt und Umfeld, und die Grenzen ihrer Entitäten wurden überschritten. Bei "No I didn’t go to any museums here I hate museums museums are just stores that charge you to come in there are lots of free museums here but they have names like real stores" in der Devin Borden Gallery in Houston (2012) zeigte er kleine Skulpturen in einer Vitrine, die nur aus zwei schützenden Flächen bestanden, während die anderen Seiten offen waren. Diese Geste eines Displays entpuppte sich als Skulptur. Bei "Chair w/ paintings" in der Galerie Lisa Cooley in New York (2012) verschmolz die Präsentationsstruktur noch mehr mit präsentierten „Skulpturen“: Die Galerie selbst – ein Gassenlokal und ehemaliges Geschäft wie die meisten anderen Galerien in New York, also ein Somebody-Made – fungierte als Podest und Plattform. Die Wanderausstellung "Attainable excellence" startete im AMOA-Arthouse in Austin (2012), wo Coolquitt sie als engen, gassenartigen Gang hinter einer beweglichen Wand neben einem offenen Raum konzipierte. Es entstand eine intime Situation mit den Werken, während auf einen Lebensraum verwiesen wurde, der die Objekte in subjektartige Dinge transformierte. Für die Version der Ausstellung im Blaffer Museum in Houston (2012) arbeitete Coolquitt mit Bereichen, die er mal offener, mal dichter mit Objekten füllte. Zusätzlich verteilte er Abfall und Überbleibsel seiner Produktion auf dem Boden. Er verwandelte den Ausstellungsraum also in einen entropischen Raum und spielte auf verwaiste Schaufensterflächen und deren Leere eines Verlassen-Worden-Seins an, im Gegensatz zur Sterilität eines sauberen, hell erleuchteten Raums.

    Andy Coolquitts Residency in Wien war geprägt von beschränkten Mitteln und beschränkter Zeit. Seine Praxis des Sammelns von dreckigen, aber sozialen Minimalismen war erfolgreich, aber es stellte sich erneut die Frage nach dem Ausstellungsdesign. Welche Form des Theaters führt am besten in sein Schaffen ein? Statt auf die Objekte zu fokussieren, bezog er das soziale Umfeld ein und schlug eine aktivere Kollaboration mit dem Kurator vor. Das resultierende Regelwerk schildert er wie folgt:

    "to: art handlers – put the stuff in the room – to: curator – finish the job – to: artist – take the day off – the casual, or first time viewer may reasonably ask ‚what’s the big deal?‘, or‚ isn’t that the way it’s usually done?‘ – it is therefore important to impart this one bit of information; that my sculptural concerns of the past few years have revolved around the nature of exhibition designs, around the domestic environment, and more specifically, the relationship between the discrete object and the mise-en-scene in which it exists so the nature of this exhibition revolves around translation. translation through an interpreter, or what we in the art world like to call a curator, of the residue from a few months of mindless tinkering … of the interpretation of feelings through stuff … of perceptions through material … of the insights that result from the insecurity of dislocation. – for me, as the artist of exhibitions, it is also an exercise in loosing control, of confusing the roles of producer and consumer, and of creating a possibility for a new perception. – i’m remembering this reality TV show (room raiders) from 10 yrs ago in which the primary contestant chooses his or her date based upon a visit to the domestic spaces of three possible contenders … – now i’m also remembering an old punk rock friend back in the early 90’s, whose months-long obsession with a would-be was thwarted upon seeing a stone temple pilots poster in the bedroom."

    [Severin Dünser, 7/2013]